NPO/NGO Kooperationen

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There ain’t no such thing as a free lunch

Robert A. Heinlein

Was müssen Sie wissen?

Unternehmen leisten einen zentralen Beitrag zur Lösung ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Probleme. Gleichzeitig befinden sie sich immer mehr in der Verantwortung für die gesellschaftlichen Auswirkungen ihrer Tätigkeit und stehen nicht zuletzt aus diesem Grund zunehmend im Licht der Öffentlichkeit.

Im Zuge ihrer Aktivitäten gehen Unternehmen immer öfter auch Spendenbeziehungen und Kooperationen mit Nonprofit Organisationen (NPO) bzw. Nichtregierungsorganisationen (NGO) ein, sowohl indirekt als auch direkt, d.h. durch Leistung gegen Geld bzw. Geldwert. Diese Kooperationen werden vor allem von großen NPO/NGO immer professioneller praktiziert und aktiv beworben.

Dabei hat sich das Verhältnis vor allem von NGO und (transnationalen) Unternehmen bzw. die Art ihrer Kooperation im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte gewandelt – von konfrontativen zu immer mehr kooperativen Ansätzen zivilgesellschaftlicher Aktivitäten gegenüber Unternehmen. Es sind keine Daten verfügbar, wie viele solcher Partnerschaftsprojekte es tatsächlich gibt. Oft sind die Projekte eher auf lokaler Ebene angesiedelt und in der Öffentlichkeit kaum bekannt. (Coni-Zimmer, 2012).

In der Forschung wurde bisher kaum der Frage nachgegangen, welche Risiken die Zunahme kooperativer Strategien insbesondere für die Zivilgesellschaft birgt und was die Zunahme von kooperativen Strategien auf Seiten der Zivilgesellschaft auslöst. (Coni-Zimmer/Flor, 2015)

Zunehmend stellt sich aber auch in der Forschung die Frage nach dem Einfluss der Kooperationen auf die Zivilgesellschaft. Die Zivilgesellschaft ist dabei laut Burchell und Cook (2013) einem zunehmenden systemischen Druck ausgesetzt, mit der Privatwirtschaft zu kooperieren. Beispielsweise werden öffentliche Subventionen für NPO/NGO vermehrt an die Bedingung geknüpft, mit Unternehmen aus der Privatwirtschaft bei der Umsetzung der geförderten Projekte zusammen zu arbeiten (z.B. im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen einiger österreichischer Ministerien).

Das wirft eine Reihe von Fragen auf: Inwiefern entstehen aus der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft Risiken für die Zivilgesellschaft? Und was bedeutet insbesondere die stark wachsende Zahl von Multi-Stakeholder-Initiativen und NPO-Beteiligung darin für die Rolle und für das Selbstverständnis von NPO/NGO, insbesondere von NGO, also diejenigen, die sich bislang eher als watch dogs verstanden? (Burchell und Cook, 2013)

Gleichzeitig werden laut Coni-Zimmer und Flohr NPO bzw. NPO durch ihre Beteiligung an neuen Governance-Formen zunehmend vereinnahmt. Ihre These: NPO/NGO müssen ihre (knappen) personellen Ressourcen auf das Management und die Umsetzung von kooperativen Initiativen verwenden. Das kann auf Kosten und zu Lasten der Beschäftigung mit anderen wichtigen Themen gehen.

Kann die Privatwirtschaft die Zivilgesellschaft also durch Partnerschaftsprojekte „beschäftigen“, sodass radikale Alternativen und Politikänderungen immer weniger denkbar werden, weil die Zivilgesellschaft innerhalb des vorherrschen Governance-Paradigmas operiert? Diesen – bisher kaum gestellten – Fragen könnte sich eine neue Generation der Forschung zur Kooperation von NPO und Unternehmen noch deutlich stärker annehmen.

Ein Scan österreichischer NPO/NGO-Websites und deren Umgang mit Unternehmens-Kooperationen bestätigte dieses Bild aus der Wissenschaft: Grenzen und Prinzipien wurden dabei so gut wie nie offengelegt. Zumeist handelt es sich um reine Akquise-Texte, um Unternehmen zu Kooperationen zu bewegen. Wenn eigene Prinzipien und Positionen postuliert werden, dann schwach und verhalten. Dies führt zur Gefahr der Instrumentalisierung von Verantwortung von beiden Seiten, was wiederum bereits vorhandene Skepsis in der Bevölkerung verstärkt, denn bei Verantwortungsthemen setzt man automatisch intrinsische Motive voraus.

Diese Gefahr der Instrumentalisierung gilt nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für NPO/NGO. Hier kann – vor allem seitens der immer größer werdenden und zunehmend international vernetzten Organisationen – ungebührlich Druck auf Unternehmen aufgebaut werden, bei Projekten oder Gruppen mitzumachen, oder sogenannte Nachhaltigkeitssiegel zu übernehmen, um in der Öffentlichkeit als engagiertes Unternehmen wahrgenommen zu werden. Dieser Druck kann im Extremfall bis zu Drohungen führen, frei nach der Devise: „Entweder du zahlst, oder ich kampagnisiere gegen dich“.

Was hinzukommt: Intransparenz von beiden Seiten schafft größere Fragilität für Unternehmen, unterminiert damit das Vertrauen und kann auf lange Sicht Stabilität, Sicherheit und damit Resilienz des Unternehmens und seines Bestehens gefährden.

Für den NPO-Sektor ist der potenzielle Schaden noch viel größer, ist doch ihre Glaubwürdigkeit das eigentliche Kapital, das durch intransparente Kooperationen unterminiert wird – und da die Öffentlichkeit gerade im NPO-Sektor nicht differenziert, besteht das Risiko, dass ein Skandal aufrund einer missglückten „Kooperation“ sich auf den gesamten NPO-Sektor auswirkt – mit immensen ökonomischen Schäden.

Insgesamt bergen derartige Kooperationen somit eine Reihe von potenziellen Risiken: 

Risiken für Unternehmen

  • Compliance Risiken2
  • Reputationsrisiken
  • Resilienz-Risiken
  • Greenwashing-Vorwürfe
  • Finanzierung von nicht vertrauenswürdigen Organisationen
  • Generalverdacht im Zuge öffentlicher Vorkommnisse,
    z.B. bei Parteispenden-Affären oder Verdacht der Geldwäsche

Risiken für NPO

  • Glaubwürdigkeitsverluste aufgrund von Intransparenz und starker Unternehmensnähe (“Gekaufte Meinungen”)
  • Potenzieller Vorwurf: Gekaufte NPO, „embedded“ NPO
  • Abgrenzung NPO zu Astroturf-Organisationen3
  • Schwächung der NPO-Rolle als Korrektiv (v.a. bei zentraler Advocacy Aufgabe)4
  • Ruhigstellen durch finanzielle und/oder emotionale Abhängigkeit von Unternehmen, („Man beißt nicht die Hand, die einen füttert“)
  • Paradigmenwechsel der NPO-Rolle von (unabhängigem und kritischem) Gegenüber hin zu Auftrag- und GeldnehmerInnen (bzw. BeraterInnen von Unternehmen)
  • Verlust an Konturen aller NPO, Gefährdung der Legitimation des ganzen Sektors
  • Interessenkonflikt innerhalb der NPO
  • Mitbewerb zwischen NPO im Rennen um Kooperationspartner
  • Down-Scaling und Dumping von Umwelt-, Sozial- oder Menschenrechtsstandards

Fazit:

Beide Partner – Unternehmen wie auch NPO – riskieren aufgrund von Intransparenz und mangelnden Regeln bzw. Selbstverpflichtungen das Sinken ihrer Glaubwürdigkeit, die wichtigste Voraussetzung für Vertrauen und damit Grundlage ihrer eigenen Reputation.

1 Europäische Kommission, (2011): „Eine neue EU-Strategie (2011-14) für die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)“. http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2011:0681:FIN:DE:PDF (letzter Download: 20.1.2021)

2 Compliance-Risiken sind Risiken aus rechtswidrigen bzw. unredlichen Handlungen oder Unterlassungen. Verstöße können zu Strafen, Bußgeldern oder anderen staatlichen Sanktionen führen, sowie zu einer erheblichen Vermögensgefährdung und Rufschädigung.

3 Astroturf-Organisationen sind Initiativen, die NPO-Methoden des Grassroots Campaignings übernehmen, aber de facto anderen Zwecken dienen, diese (oft monetären) Absichten aber verschleiern. (Walker, 2014)

4 Advocacy (Anwaltschaft im Sinne der Mission) ist Kernaufgabe und Zweck des NPO-Sektors. Finanzielle Mittel dafür sind immer Mittel zum Zweck (außer bei reinen Charity/Fundraising-Organisationen), d.h. sollten dieser Aufgabe untergeordnet sein.

Was können Sie tun?

Was können wir für Sie tun?

  • Strategische Begleitung und Fachcoaching für NPO und Unternehmen
  • Unterstützung bei der Anbahnung von Kooperationen
  • Risiko- und Glaubwürdigkeitsanalysen
  • Due Diligence Prozesse für die Auswahl der PartnerInnen

Weiterführende Literatur

  1. Faber-Wiener, G. 2021. KODEX FÜR TRANSPARENTE ZUSAMMENARBEIT. Richtlinien und Qualitätsstandards für Kooperationen
    zwischen Unternehmen und Nonprofit Organisationen. www.transparente-zusammenarbeit.org
  2. Coni-Zimmer M. / Flohr, A. (2015): Zwischen Konfrontation und Kooperation – Das Verhältnis zwischen NGOs und Privatwirtschaft, Springer Fachmedien, Wiesbaden
  3. Coudenhove-Kalergi, Barbara und Gabriele Faber-Wiener. 2016. „Reverse Stakeholder Engagement – Ethik-basiert statt machtorientiert.“ In CSR und Stakeholdermanagement, Strategische Herausforderungen und Chancen der Stakeholdereinbindung“, herausgegeben von Reinhard Altenburger und Roman H. Mesicek, 71-92. Berlin/Heidelberg: Springer Gabler.
  4. Curbach, Janina. 2008. „Zwischen Boykott und CSR: eine Beziehungsanalyse zu Unternehmen und NGOs.“ In Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik, 9(3), 368-391.
  5. Take, Ingo. 2002. NGOs im Wandel. Von der Graswurzel auf das diplomatische Parkett. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag