Corporate Volunteering

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Diese Willensfreiheit ist die Fähigkeit des Menschen, freiwillig zu tun, was er unfreiwillig will.

Robert Musil

Was müssen Sie wissen?

Wie so viele „Spezialdisziplinen“ von CSR stammt auch das Konzept von Corporate Volunteering aus den USA. Es wird in der Literatur überwiegend mit „betriebliche Freiwilligenprogramme“ oder „Förderung des Mitarbeiterengagements“ übersetzt. Dabei geht es um den Einsatz von MitarbeiterInen für gemeinnützige Zwecke. Die Bandbreite dabei ist groß: Sie reicht von Aktionstagen, bei denen einmal jährlich (oder auch öfter) MitarbeiterInnen für soziale Zwecke freigestellt werden, über Mentoring-Programme und soziale Praktika bis hin zu Secondment, bei dem ein/e MitarbeiterIn für längere Zeit auf Firmenkosten eine gesellschaftliche Tätigkeit verrichten darf. D.h. Corporate Volunteering beginnt bei punktuellen Einsätzen, bei denen meist handwerkliche Tätigkeiten im Vordergrund stehen, geht über einwöchige Hospitationen in sozialen Einrichtungen bis hin zu längeren Personaleinsätzen im Führungsbereich von gemeinnützigen Institutionen.

In nur wenigen Fällen handelt es sich bei Corporate Volunteering um pro bono Dienstleistungen, d.h. das Zur-Verfügung-stellen seiner Unternehmenstätigkeit und seines Unternehmens-Know-hows für soziale Zwecke.

Dies ist gleichzeitig einer der Kritikpunkte an Corporate Volunteering. Kritisch betrachtet, ist Corporate Volunteering ein Widerspruch in sich:

  • Corporate bedeutet immer strategisch und damit extrinsisch motiviert. D.h. Unternehmen verfolgen ein bestimmtes Ziel mit einer bestimmten Aktivität. Auf Corporate Volunteering umgelegt, bedeutet das in den meisten Fällen, dass das Ziel der indirekte „business case“ für das Unternehmen darstellt, d.h. höhere Motivation und Verbleibdauer der MitarbeiterInnen, höhere Reputation des Unternehmens u.a.
  • Volunteering, also Freiwilligenarbeit, ist per se intrinsisch motiviert, d.h. Menschen wollen sich – zumeist privat – ehrenamtlich engagieren – und tun das auch in großem Ausmaß, was Untersuchungen aus Österreich belegen, wonach ein großer Anteil der Erwachsenen in Österreich ein Ehrenamt innehat oder bei einem Verein tätig ist.

Dieser Widerspruch ist sowohl für die MitarbeiterInnen als auch für das Unternehmen ein potenzielles Dilemma, weil es um die Frage geht, ob man freiwillige und altruistische Arbeit, d.h. „echtes“ volunteering machen möchte, das im Privaten geschieht und im besten Fall vom Unternehmen durch Zusatzurlaub unterstützt wird (z.B. Freiwillige Feuerwehr, Bergrettung u.a.) oder ob es strategische und koordinierte Programme des Unternehmens sind, zu denen MitarbeiterInnen ermutigt oder auch verpflichtet werden. Genau darum wirken diese Unternehmensprogramme für „Corporate Volunteering“ oft aufgesetzt und künstlich, und bergen in der Folge das Risiko, dass die Sache kontraproduktiv ist, d.h. sie können im Extremfall zu Zynismus und Widerstand bei den MitarbeiterInnen führen.

Die untenstehende Tabelle zeigt die Widersprüche zwischen „echtem“ Volunteering und „strategischem“ Volunteering. Sie basiert auf einer Untersuchung von Bea Boccalandro aus dem Jahr 2010.

Corporate Volunteering – das Dilemma für Unternehmen

MitarbeiterInnen bevorzugen
„echtes“ Volunteering, d.h.
Unternehmen fördert
“strategisches” Volunteering, d.h.
MotivationAltruismus
Primärer Vorteil für Zivilgesellschaft,
ehrenamtlich
Win-win
Vorteil für Unternehmen und Zivilgesellschaft,
tlw. gegen Bezahlung
Auswahl-KritierienIndividueller freier Wille
Von ArbeitnehmerIn definiert
Effektivität des Projekts
Von Unternehmen definiert
Art der ErfahrungPersönliche „Spende“
Erfahrung oft unstrukturiert,
zumeist „niedrige“ Tätigkeiten,
meist privat,
wenig oder nicht evaluiert
Professioneller Service (in Frage zu stellen, je nach Ausformung von Corporate Volunteering)
Strukturierte Erfahrung,
meist ausgebildete Tätigkeiten,
wenig privat,
meist mit Evaluierung verbunden
Quelle: Boccalandro, B.. 2010„THE END OF EMPLOYEE VOLUNTEERING: A Necessary Step to Substantive Employee Engagement in the Community“, CCCD – Centrum für Corporate Citizenship Deutschland

Corporate Volunteering Projekte werden zum einen genutzt, um Unternehmenswerte und -kultur weiter zu entwickeln, d.h. als Organisationsentwicklungsmaßnahme zu dienen, oder MitarbeiterInnen im Rahmen von Personalentwicklung fortzubilden. Der wahrscheinlich größte Nutzen von strategischen Freiwilligenprogrammen für MitarbeiterInnen ist die Entwicklung des Führungspotenzials. Zum anderen erringen Unternehmen dadurch Marketingvorteile: das Ansehen des Unternehmens steigt sowohl bei Beschäftigten als auch im lokalen Gemeinwesen.

All diese Effekte zeigen klar die extrinsische Motivation und den Nutzen des Unternehmens. Genau darin liegt gleichzeitig ein großes Risiko: die Gefahr der Instrumentalisierung, und zwar nicht nur der Instrumentalisierung der MitarbeiterInnen, die im Unternehmenskontext nie ganz ohne Druck an derartigen Maßnahmen teilnehmen können, da sie ja letztlich in einem Abhängigkeits- und Machtverhältnis stehen, sondern auch die Instrumentalisierung der „guten Sache“ für den Unternehmenszweck. Dies ist einer der Gründe, warum zunehmend soziale Organisationen derartigen Programmen skeptisch gegenüber stehen oder sie nur dann annehmen, wenn sie auch mit Geldspenden verbunden sind.

Für NGOs ist Corporate Volunteering somit ein Dilemma: Lehnen sie derartige Angebote ab, lehnen sie oft auch finanzielle Zuwendungen ab. Nehmen sie es an, haben sie oft intensiven Betreuungsaufwand für ungelernte Kräfte, die oft mehr Schaden anrichten als sie – gut gemeint – an Positivem Bewegen.

Dieses Dilemma ist in der untenstehenden Tabelle aufgezeigt.

Corporate Volunteering – das Dilemma für NGOs

PROCONTRA
Bedarf nach Ehrenamt steigt, v.a. da Regierungen sich zurückziehen.Tätigkeiten im NPO-Sektor sind professionelle Tätigkeiten.
Durch Corporate Volunteering wird Image von „Hilfsjobs“ vermittelt.
Ehrenamt fördert gesellschaftlichen Zusammenhalt.Schiefe Ebene („Profis“ helfen „armen NGOs“)
Corporate Volunteering-Programme haben auch andere positive Nebeneffekte auf NGOs.Mehr Schaden als Nutzen durch ungelernte Tätigkeit, Verschwendung von wertvoller Zeit auf beiden Seiten
Quelle: Faber-Wiener, 2018

Die Lösung für dieses Dilemma muss jedem einzelnen Akteur überlassen werden – Unternehmen wie NGO/NPO.
Für beide gilt:

  1. 1. Hinterfragen von Motiv, Idee und Absicht dahinter
  2. 2. Zusammenarbeit wenn, dann auf Augenhöhe und ohne Abhängigkeitsverhältnisse für alle 3 Akteure: MitarbeiterInnen (nur bedingt möglich), NGO, Unternehmensführung
  3. 3. Alternativen überlegen, die evtl. besser und für alle glaubwürdiger sind
  4. 4. Defensiv kommunizieren (d.h. nicht für Werbezwecke missbrauchen)

Denn: Alle drei Akteure haben Verpflichtungen – NPO/NGO primär ihren KlientInnen gegenüber, und Unternehmen ihren MitarbeiterInnen gegenüber. Nur wenn sich alle vier Interessen (NGOs, KlientInnen, Unternehmen, MitarbeiterInnen) decken, dann ist eine langfristige, tragbare und solide Basis gegeben.

Was können Sie tun?

  • Ernsthafte Auseinandersetzung mit Corporate Volunteering, seinen Möglichkeiten aber auch potenziellen Problemen
  • Keine ad-hoc Programme, keine von außen (BeraterInnen) aufgedrängten Projekte
  • Alternativen überlegen, die evtl. besser und für alle glaubwürdiger sind
  • Als NGO: Hinterfragen von Motiv, Idee und Absicht dahinter (Transparenz)
  • Als Unternehmen: Vorher überlegen was man will und danach erst überlegen wer dazu passen könnte (oder ob es bessere Alternativen gibt, seine Ziele zu erreichen)
  • Zusammenarbeit wenn dann auf Augenhöhe und ohne Abhängigkeitsverhältnisse für alle 3 Akteure: MitarbeiterInnen (nur bedingt möglich), NGO/NPO, Unternehmensführung
  • Defensiv kommunizieren (d.h. nicht für Werbezwecke missbrauchen)

Was können wir für Sie tun?

  • Beratung und strategische Unterstützung bei der Zieldefinition
  • Sparring Partner für kritische Fragen bei Überlegung und Aufsetzen
  • Suche nach Alternativen
  • Unterstützung dabei, die richtigen NPO/NGO-Partner zu finden
  • Unterstützung bei der Anbahnung und NPO/NGO Due Diligence

Weiterführende Literatur

  1. Bartsch, 2003. Lernen in fremden Lebenswelten. Personalentwicklung als Einstieg in das bürgerschaftliche Engagement von Unternehmen.
  2. Boccalandro, B. 2010. „THE END OF EMPLOYEE VOLUNTEERING: A Necessary Step to Substantive Employee Engagement in the Community“,  CCCD – Centrum für Corporate Citizenship Deutschland
  3. Herzig, C. 2006. Corporate volunteering in Germany: Survey and empirical evidence. In: International Journal of Business Environment. Vol. 1, No. 1, 2006, S. 51–69.